Insolvenz von der Bekanntmachung bis zum Vollzug

Insolvenzen im privat- und firmenbereich nehmen weiter zu. Zahlungsunfähigkeit sollte in unserem Kulturkreis einer Naturkatastrophe ähneln, die durch das Zusammentreffen unglücklicher Umstände hervorgerufen wird, und sich auch bei näherer Betrachtung als unabwendbar zeigt.

Leider sind die Verhältnisse völlig andere. Beginnend bei präzise geplanter Herbeiführung von Überschuldung und endend bei leichtsinniger Anhäufung von Krediten und Zahlungsverpflichtungen zeigen bei Unternehmen wie Privatpersonen erschreckend schlechte Zahlungsmoral und ein praktisch nicht vorhandenes Unrechtsbewusstsein. Obwohl alle Bereiche unserer Wirtschaft aufwendige und teure Vorsorge betreiben, hält der Trend an, dass Zahlungsverpflichtungen nicht eingehalten werden können -oder leider auch– nicht eingehalten werden sollen. Dies hat zur Folge, dass immer mehr solide und nach korrekten kaufmännischen Regeln handelnde Unternehmen erhebliche Zahlungsausfälle zu verkraften haben und nur zu oft selbst in den Strudel von Insolvenzverfahren geraten. Charakteristisch für den anhaltenden Trend von steigenden Insolvenzraten im gewerblichen und privaten Bereich ist, dass alle Vorsichtsmaßnahmen wie Auswertung von Berichten der Schuldnerverzeichnisse und Auskunfteien nur sehr selten die Prognose einer drohenden Insolvenz erlauben.

An dieser Stelle sind strafrechtlich relevante Verhältnisse wie offensichtlicher Betrug und Urkundenfälschung ausgenommen. Gegen kriminelle Machenschaften wird es wohl nie einen zuverlässigen Schutz geben.
Es drängt sich die Frage auf, ob die zunehmende Individualisierung und Vereinzelung nicht wesentlich dazu beiträgt, dass wirtschaftliche Potenz unrealistisch und falsch eingeschätzt wird. Man kennt sich nicht mehr persönlich und die kurzen Begegnungen lassen eine zuverlässige Einschätzung nicht zu. In diesem Klima des anonymisierten Wirtschaftens ist eine positive Beurteilung eines Neukunden oder eine längst fällige Überprüfung einer alten Geschäftsverbindung nur zu menschlich. Bedauerlicherweise führt aber dieses Prinzip Hoffnung, geboren aus -auch notwendiger- positiver Aufgeschlossenheit nicht zum Erfolg.

Es ist gesichert, dass erfolgreiche Geschäftsbeziehungen, ob zwischen Unternehmen und anderen Unternehmen oder Unternehmen und Privatkunden entweder auf langjährigen persönlichen Beziehungen, oder auf deren soliden Aufbau fußen. Das sich persönliche Kennen gepaart mit dem realistischen Einschätzen des Anderen ist offensichtlich immer noch eine sichere Grundlage. Da Flexibilisierung von Arbeitszeiten und zunehmende Trennung von Wohn- und Arbeitsort ein Begegnen in Gemeinde-, Vereins- und Privaträumen immer seltener möglich machen, fällt es schwer, an die Ausweitung solcher Bindungen zu glauben. Den vielen Forderungen aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft nach Risikokapital für junge Unternehmen stehen die steigenden Zahlen von Insolvenzverfahren entgegen. Die Vermeidung von Insolvenzen und gesunde Risikobereitschaft für Neues und Innovatives bleiben eine Gratwanderung, der sich kein Verantwortlicher entziehen kann.